Branche: EMS (Electronic Manufacturing Service)
Funktion: Leiter Produktion und Logistik / Projektleiter Reorganisation
Thema: Reorganisation, Shop-Floor, KPI, SMT, SPC, Ablauforganisation, Termintreue, MRP
Umsatz: 30 Mio. €
Mitarbeiter: 200
Ein EMS-Fertigerer in D, spezialisiert auf komplexe und hochwertige Produkte mit kleinen und mittleren Stückzahlen, produzierte ca. 30% für das Mutterhaus und 70% für den freien Markt. Die Firma hatte eine sehr gute Auftragslage und stand kurz vor dem Go-Life eines neuen ERP.
Was ich nach kurzer Analyse vorfand war eine «Kochende Organisation» die sich in einem ständigen «Feuerwehr-Modus» befand. Es gab keine Tools um die Produktions-Situation zu erfassen, d.h. es war wie ein Blindflug ohne Navigations-Instrumente. Eine Auftragsbugwelle von einigen Wochen hatte zur Folge, dass kein Kundenauftrag zum versprochenen Termin geliefert wurde. Die Intervention der Kunden führte zu vielen Sonderaktionen, einer ständigen Eskalation, teilweise bis zur Gruppenleitung, einer Mail-Flut, operativer Hektik, ineffizienter Organisation, Demotivation und Überforderung.
Insbesondere führte die Situation aber dazu, dass sich alle Führungskräfte praktisch nur noch um das Tagesgeschäft kümmerten und nicht mehr um die Führung. Dies führte unweigerlich zu einer negativen Spirale mit verunsicherten und demotivierten Mitarbeitenden ohne Perspektive und hohem Krankenstand. Die Folge war wiederum ein kleinerer Output, eine noch grössere Auftrags-Bugwelle und noch mehr Hektik.
Nach kurzer Zeit initiierte und leitete ich ein Projekt zum Abbau der Auftragsbugwelle. Es enthielt 7 Teilprojekte mit allen Hebeln zur Problemlösung. Den wichtigsten Akteuren der Organisation übertrug ich die Verantwortung als Teilprojektleiter. Das Projekt führte ich nach allen Regeln der Kunst (Projekt-Struktur, Meetings mit Agenda, Beschlussprotokoll auf Flip-Chart, To-Do-Liste, Überwachung und Unterstützung wo notwendig).
Mir war wichtig, dass wir nicht nur kurzfristig das Problem beseitigten, sondern Strukturen und Abläufe veränderten damit eine nachhaltige Organisation entstand. Zum Beispiel definierten wir die wichtigsten KPI’s und visualisierten diese öffentlich, nach dem Motto: «Nur was gemessen und visualisiert wird, verändert sich».
Ein entscheidender Punkt war die Planbarkeit des SMT-Outputs. Mit vorsorglicher Wartung, Schulungen und Verträgen wurde die Einsatzsicherheit der Betriebsmittel drastisch erhöht. Mittels 4-Augen-Prinzip für das Aufrüsten der Bestückungsautomaten, SPC (statistischer Prozesskontrolle), Schulungen, einem Qualitäts-Zirkel sowie technischen Massnahmen wurde die Qualität gesteigert um insbesondere Nacharbeit und daraus entstehende Verzögerungen zu eliminieren.
Es gelang mir den Chef «Logistics & Warehouse» so zu motivieren, dass er seine Abteilung aus den starren und «bürokratischen» Strukturen («Königreich») löste und in einen echten Dienstleistungsbetrieb umwandelte. Mit flexiblem Arbeitseinsatz und zusätzlich eingesetztem Personal wurde auf die Bedürfnisse der produzierenden Abteilungen eingegangen. Auch hier wurden KPI’s implementiert um sowohl Kapazität, Auslastung sowie Effizienz zu visualisieren. Mit statistischen Methoden konnte zudem nachgewiesen werden, dass mit dem neuen ERP ein Mehraufwand verbunden war. So bewilligte die GL kurzfristig mehr Personalkapazität und der ERP-Lieferant konnte dazu gezwungen werden, die Mehrkosten zu vergüten und die notwendigen Programmänderungen in Angriff zu nehmen.
Wir Implementierten eine Produktions-Struktur nach dem «Zellen-Prinzip». Die «Zellen» wurden so definiert, dass eine einfache und klare Ablauforganisation mit Fliessfertigung für die mehrstufigen Fertigungsaufträge entstand. In jeder dieser «Zellen» wurde dann eine Auslastungsplanung (Kapazität / Bedarf) gemacht.
Die Einlastungsplanung erfolgte NUR in der SMT-Bestückung (Master). Sowohl die vorgelagerte Abteilung Logistics & Warehouse wie alle nachgelagerten Abteilungen (THT, Testing, Montagen) mussten als «Slave» ihre Kapazität so flexibel gestalten, dass sie der «Master-Planung» folgen und insbesondere die Termintreue garantieren konnten. In den SMT-Kapazitäten wurden auch der Krankenstand sowie die tatsächlichen Maschinen-Betriebszeiten mit einer gewissen «Reserve» berücksichtigt.
Als kurzfristige Übergangslösung, bis die Kapazitätsplanung im ERP eingeführt werden konnte (man glaubte beim Aufsetzen des neuen ERP, dass man ohne Kapazitätsplanung auskomme), entwickelte ich ein VBA (EXCEL)-basiertes Planungs-Tool mit automatisiertem Download aus dem ERP. Damit konnte auch schnell und eindeutig aufgezeigt werden, dass das Planungs-Team die «Renner-Linie» um Faktoren überlastete. Angetrieben wurde dieser Planungsfehler von einer fehlgeleiteten analytischen Kalkulation die jede einzelne SMT-Linie separat betrachtete.
Es gelang mir, mit Visualisierung und Schulung, in der gesamten Firma die Kompetenz bezüglich Planung und Steuerung (Material, Kapazität, Durchlaufzeit) zu erhöhen. Der Leiter Materialwirtschaft war ein dankbarer Abnehmer dieser Kompetenz, insbesondere bezüglich Einkauf / Disposition. Da Bestandes-Differenzen ein erheblicher Störfaktor waren, erarbeiteten wir zusammen Massnahmen um diesen Einfluss zu minimieren (konsequentes Abbuchen von Ausschuss und Mehrverbrauch, grössere Reserven bei «Vogelfutter» (kleine Teile die «3 Mal Nichts» kosten)).
Auch die Fehlteile-Situation war ein grosser Störfaktor. Als erstes veranlasste ich deren Messung und Visualisierung und verpflichtete die Planung, Fertigungsaufträge nur dann freizugeben, wenn ERP-mässig auch alles Material vorhanden war. Im Weiteren analysierte ich die Gründe für Fehlteile (MRP-Ausnahmemeldungen wurden nicht bearbeitet, weil vermeintlich zu viele davon; Lieferantenüberwachung wurde nicht konsequent durchgeführt; Fehlinterpretation eines von der GL verhängten «Bestell-Stopps» wegen zu hoher Lagerbestände) und veranlasste deren Beseitigung.
Disziplinlosigkeit beim Buchen im ERP-System war ein verbreitetes Übel das es zu bekämpfen gab. Ich führte die Devise ein, dass ein Buchungsfehler nicht mehr als «Kavaliersdelikt» galt.
Generell wurde ich, in der kurzen Einsatzzeit von 6 Monaten bis zur Übergabe an den fixen Stelleninhaber, in der gesamten Gruppe, bis hinauf zum Geschäftsführer, als «Graue Eminenz» wahrgenommen. So dokumentierte ich auch die «Basis von Führung und Management» sowie «Führungsgrundsätze» und präsentierte dies an Schulungen vom HR. Bei meiner täglichen Führungsarbeit konnte ich mich darauf immer auch beziehen und so als Beispiel dienen.
Die Fehlteilesituation vollständig unter Kontrolle gebracht, gleichzeitig Massnahmen vorgeschlagen, um die Umschlagziffer zu erhöhen (Klassierung in Warenkörbe, Lieferanten-Strukturen mit Rahmenverträgen, Unterscheidung von Dispo-Verfahren für Produkte mit kontinuierlichem Verbrauch versus Projektgeschäft).